RR – DIE RETOURENRETTUNG (Arbeitstitel)

Bild 1: Logo, das für das Branden der Retoure Bild 2: die Reise eines Kleidungsstück, Infomaterial Bild 3: letter of intent / Futur Zwei

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Modekultur, Textilien und Nachhaltigkeit

Bis es mir vom Leibe fällt e.V.

10781 Berlin, Berlin

www.bisesmirvomleibefaellt.com

Die Retourenrettung verhindert mit listig-kreativen Ideen die Vergeudung von Ressourcen und Belastung der Atmosphäre, regt mit vergnüglichen Interaktionen zum Nachdenken und Handeln an und macht aus potenziellem Müll nachhaltig schöne, wertvolle Dinge.

Worum geht es?
Ein Kleidungsstück umrundet im Lauf seiner Produktion fast 1 ½ mal den Erdball, bis es zu seinem/r ersten Träger*in gelangt – mit großen Chancen, relativ schnell im Müll zu landen. Im modernen Online-Handel verlängert sich dieser Weg noch einmal um Hunderte bis Tausende Kilometer, da jeder fünfte Modeartikel (manche sagen auch: bis zur Hälfte) wieder retourniert wird – mit noch größeren Chancen der vorzeitigen Müllwerdung, weil die Retouren zu 30% in den Schredder wandern.

Bei diesem letzten Schritt – den Retouren online bestellter Kleidermode – setzt das Projekt an: Die Retourenrettung versucht, Kleidungsstücke den rasanten Umschlagszyklen der herrschenden Ökonomie mit ihrer eingebauten Entwertung von Gütern, Ressourcen und Arbeit (ihren sozialen und ökologischen Folgekosten) zu entziehen und in eine Ökonomie des Begehrens einzuspeisen, in der die Dinge den ihnen gebührenden Wert zurückerhalten. Kurzum: Es will nicht nur aufklären, sondern das Schrott- und Umweltbelastungspotenzial online bestellter Modeartikel ganz real herabsetzen, indem es ihr Potenzial zum Lieblingsteil weckt. Mittel sind Performance, lokale Arbeit, eigenes Handanlegen und die Markierung mit einer künstlerischen Signatur, die das Zeug zur viralen Verbreitung hat.

Das Projekt vollzieht sich in vier Stufen bzw. Abschnitten:

1. Aufklärung – Informationsbeschaffung – Akquise (Performance)

Zwei oder drei RR-Teams (bestehend aus Expert*innen, Performer*innen, Aktivist*innen, Handwerker*innen) schwärmen zur Beschaffung von Retouren aus: das geschieht sowohl im öffentlichen Raum und im direkten Kontakt mit Online-Shopper*innen (Aktionen vor Paketabgabestellen) als auch durch die Herstellung von Geschäftsbeziehungen mit Online-Versandhäusern wie Otto, Zalando und dgl. Vordergründiges Ziel dieser Tätigkeit ist entweder die Verhinderung von Retoursendungen durch Passendmachen, Umwerten und Aneignen oder die Beschaffung von retournierten Kleidungsstücken, die zur Vernichtung oder für ein Restleben als B-Ware bestimmt sind (die Teams sind mit einer gewissen Verhandlungsmacht ausgestattet, können Gegenleistungen von Urkunden über Workshop- und Änderungsangebote bis zu kleinen Geldbeträgen anbieten – den Firmen etwa die Übernahme der Schenkungssteuer oder bereits geschredderter Teile). Gleichzeitig dienen diese Auftritte auch der Informationsbeschaffung über Bedürfnisse und Verhalten von Konsument*innen und Firmen in der Retourenfrage, sowie der Aufklärungsarbeit. Die Teams aus performativ versierten Akteur*innen erarbeiten jeweils Skripts für diese Auftritte, die ihr Ziel weniger mit den Zeigefinger als mit Unterhaltung erreichen sollen, führen sie durch und dokumentieren sie.

2. Aufwertung der akquirierten Stücke durch Umarbeitung und Rebranding (Design / Produktion)

Die akquirierten Teile werden je nach Notwendigkeit von versierten Upcyclern umgearbeitet und/oder mit einem von Künstler*innen/Designer*innen entworfenen RR-Logo (inklusiver Angabe der Rettungsumstände und des Rettungsdatums) versehen und so wieder begehrenswert gemacht: Eine Art Kollektion entsteht.

3. Gründung eines RR Labels mit Laden bzw. Tauschbörse (Pop-up-Store / Ritual)

Die akquirierten, bearbeiteten und in einem öffentlichen Ritual wiederbelebten Stücke werden in einem analogen Pop-up-Store zum Verkauf und zum Tausch angeboten. Der Store findet als temporäres Pilotprojekt statt, aber mit dem Ziel einer Verstetigung. Tauschen kann, wer ein Stück vorbeibringt, statt es zu retournieren. Auch Tauschstücke werden in der erwähnten Art bearbeitet und mit dem RR-Logo gebrandet. Mit dem Verkaufserlös werden weitere Retouren gerettet.

4. Information über Retourenirrsinn und Alternativen (Dokumentation/PR)

Der gesamte Prozess wird im Netz dokumentiert (Blog, FB und/oder Instagram) und so erfahrungsnah über Folgeschäden exzessiven Online-Konsums und die Freuden seiner Vermeidung informiert.
Was sind unsere Ziele?
1. Recherche, Strategieentwicklung und Durchführung notwendiger Vorarbeiten zur Kontaktaufnahme mit Endverbraucher*innen und großen Onlinehändlern (interne Dokumentation).

2. Verhandlung mit Endverbraucher*innen und Handelsgesellschaften über deren Retouren; Ziel ist, beide dazu zu bewegen, RR ihre Retouren zu überlassen, insbesondere solche, die zur Zerstörung vorgesehen sind (dieses Ziel ist ganz einfach in Stückzahlen messbar).

3. Gelingt es nicht, Retouren zu akquirieren, wird zumindest ein Aufklärungseffekt oder ein Informationsgewinn erzielt (beides wird auf den Online-Kanälen des Projekts dokumentiert und kommuniziert, was wiederum gut messbar ist – Reichweite).

4. Einrichtung einer Retourenrettungsstation in den Vereinsräumen und Bearbeitung der akquirierten Retouren durch Upcycling und Branding; insbesondere die Erarbeitung eines markanten Markenzeichens in Verbindung mit Designer*innen und Künstler*innen – wobei die Rettungsstation in der unmittelbaren Nachbarschaft zugleich auch als Abgabestelle, Tauschbörse, Umarbeitungsworkshop fungieren kann (interne Dokumentation bzw. Nutzungsmessung).

5. Bewerbung und Verbreitung der geretteten und neu gebrandeten Retouren als eigenes Label über einen Pop-Up-Store bzw. eine Tauschbörse, am besten in Kooperation mit einer einschlägigen Einrichtung wie Re-Use-Läden, Circular House, Museumsshops etc. (Messung über Besucher*innenstrom und Retourenumlauf).

6. Schaffung einer größeren Öffentlichkeit und ganz allgemein eines Bewusstseins für die Retouren- und Verschwendungsproblematik und Möglichkeiten eigenen Handelns durch PR-Arbeit, öffentliche Aktionen, eigene Online-Medien etc. (Dieses Ziel wird zur Gänze erst in Verbindung mit der Einbettung des Teilprojekts in ein größeres EU-Projekt namens »Future.Repair.Machine« realisiert, das den Begriff der Reparatur als nachhaltige Kulturtechnik untersucht und in verschiedenen Genres und sechs europäischen Städten – praktisch umsetzt.)
Wer ist unsere Zielgruppe?
Erwachsene 19 – 69 Jahre,
Kinder/Jugendliche,
regionale Akteure,
Sonstige
Wie ist das Projekt lokal und regional verankert?
Durch die Arbeit vor Ort – sowohl im öffentlichen Raum als auch später in der Rettungsstation und im Pop-up-Store – ist das Projekt zunächst ganz unmittelbar in der Nachbarschaft des Vereins in Berlin-Schöneberg und mehrere über das ganze Stadtgebiet verteilte Außenstellen verankert. Mit Kooperationspartnern für den Vertrieb ist dieses lokale Netzwerk erweiterungsfähig. Verbindungsmöglichkeiten bestehen weiter mit Hochschulen (Kunsthochschule Weißensee, HNE Eberswalde) und Umweltinitiativen (B.U.N.D., Greenpeace, etc.) und zwar sowohl als Mitwirkende wie auch als Multiplikator*innen.

Mit dem Herantreten an große Online-Handelsgesellschaften werden im direkten Kontakt mit den Hauptverursachern des Problems nicht nur Informationen beschafft und weitergegeben, sondern auch konkrete Lösungen in eine Welt eingeschleust, die vielleicht den üblichen Problemlösungshorizont dieser Akteur*innen übersteigen aber durchaus das Potenzial haben könnten, auch im größeren Stil aufgegriffen zu werden.

Mit der extensiven Öffentlichkeitsarbeit (online und – durch die Aktionen im öffentlichen Raum – auch in klassischen Medien) wirkt das Projekt zudem weit über den lokalen Rahmen hinaus. Anbindungen an einschlägige Umweltinitiativen sind auch in diesem Bereich möglich und werden selbstverständlich angestrebt (Slow und Green Fashion Blogs, Greenpeace, B.U.N.D., Futur Zwei, Re-Use etc.)
Mit der Einbindung in das EU-Projekt «Future.Repair.Machine«, das den Begriff der Reparatur in verschiedenen Disziplinen untersucht und im kulturell-sozialen Umfeld von sechs Städten praktisch umsetzt, bestehen zudem Anknüpfungsmöglichkeiten sowohl an andere Genres (vor allem performativer und aktionistischer Art) und deren Publikum als auch an transnationale Öffentlichkeiten.
Worin liegt die Innovation unseres Projektes?
Das Projekt operiert im Rahmen der Agenda des Antragstellers, wendet sich aber einem von ihm bisher kaum beachtetem Segment zu. Stehen für gewöhnlich kaputte, unpassende oder als nicht zeitgemäß empfundene alte Textilien im Fokus seiner Tätigkeit, so sind es diesmal solche, die durch den Eingriff überhaupt erst einem Gebrauch zugeführt werden, und bei denen sich die Ressourcenschonung auch auf die Atmosphäre erstreckt (wenn man deren Belastung durch den Akt des Retournierens mitbedenkt). Gleich bleibt hingegen ein nicht unwesentlicher Aspekt der Agenda des Antragstellers: die Stimulation der Handlungsfähigkeit und Gestaltungsmacht des/der Einzelnen, sowie dessen/deren ethisch-ästhetische Bildung.

Neu ist auch die Zusammenarbeit mit Performer*innen, Aktivist*innen und Dokumentarist*innen. Zwar spielt Interaktion auch in der sonstigen Tätigkeit des Antragsstellers eine wichtige Rolle, aber durch die Zusammenarbeit mit den genannten Expert*innen wird diese nicht nur stark aufgewertet, sondern vor allem auch in den öffentlichen Raum und direkt zu den Betroffenen hinausgetragen.

Gleiches gilt auch für die Interaktion mit den großen Playern in diesem Bereich, dem Online-Handel. Statt sie für ihr rein ökonomisch geleitetes, ökologisch fragwürdiges Verhalten an den Pranger zu stellen, werfen die Beteiligten an diesem Projekt, ihr gesamtes fachliches, performatives und rhetorisches Knowhow in die Waagschale, um ihr Gegenüber von der Sinnhaftigkeit, dem Sexappeal und dem ökologischen, wenn nicht am Ende sogar ökonomischen Mehrwert ihrer Alternative zu überzeugen und so das Projekt vielleicht in größerem Stil wirksam werden zu lassen (oder aber über die Widerstände dagegen zu berichten).

In direkter Konfrontation mit einer Welt, die gern als ganz und gar ökonomisiert beschrieben wird, setzt dieses Projekt Analyse, Design, Handwerk, Körper, Überzeugungskraft, Überredungskunst, Verführung, Weihrauch, Amüsement und andere Listen ein, um einen Unterschied in einem realwirtschaftlichen Bereich zu machen, in dem sich Ästhetik, Ökologie und Ökonomie ganz selbstverständlich überschneiden.
Wer sind wir?
Der Verein »Bis es mir vom Leibe fällt e.V.« widmet sich der Förderung von Umweltschutz und nachhaltiger Alltagskultur im Bereich Textilien und Kleidermode. Dazu bedient er sich vorwiegend des Reparierens als einer Methode, die es angesichts ökologischer, sozialer und ästhetischer Verwerfungen erlaubt, selbst tätig zu werden und sich mit kreativen Lösungen zu widersetzen.

Der Verein betreibt neben der Beratung Veränderungswilliger, der Bewahrung und Weiterentwicklung alter Handwerkstechniken, diversen Veranstaltungen zum Ändern und Reparieren als Umgangsform mit der Welt vor allem ein inzwischen sehr weit ausgebautes Workshop-Programm für Schulen, Nachbarschaftszentren, Senior*innenwohnhäusern, Museen, Jugendclubs und anderen Bildungsstätten.

Neben den ehrenamtlich tätigen Vereinsmitgliedern beschäftigt der Verein eine Teilzeitbürokraft und arbeitet für Veranstaltungen mit einer Reihe freiberuflich tätiger Designer*innen und Upcycler*innen zusammen.
Laufzeit der Förderung
8 Monate
Höhe der Förderung
49 501,80 EUR
Video

Promofilm unseres Atelier und des Vereins

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Nachhaltigkeitsziele

  • SDG 12: Nachhaltige Konsum- und Produktions­muster sicherstellen
  • SDG 13: Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen
  • SDG 17: Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen
  • SDG 8: Dauerhaftes, breiten­wirksames und nachhaltiges Wirtschafts­wachstum, produktive Voll­beschäftigung und menschen­würdige Arbeit für alle fördern