Klimaschutz in Vorpommern – von der Einöde zum kulturellen Kleinod

Bild 1: Lage von Kamp am Peenestrom östlich von Anklam Bild 2: Bild 3: Beispieldarstellung für ein [Kleinod]

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Land schreibt Zukunft

Verein zur Förderung solidarischer Lebensgestaltung e.V.

17489 Greifswald, Mecklenburg-Vorpommern

www.solidarische-lebensgestaltung.de

Eine Einöde stellt sich dem Verfall. Auf ehemals trockengelegten endlosen Moorwiesen werden nachwachsende Rohstoffe umweltfreundlich angebaut und zu gesunden Baustoffen verarbeitet, um daraus regionaltypische, vorgefertigte Ferienhäuser (Kleinode) zu bauen.

Worum geht es?
Einöden (einsame, menschenleere, meist öde und eintönig wirkende Gegend. Quelle: Duden) sind in Vorpommerns Mooren Räume der entwässerungsbasierten, monokulturellen und großindustriellen Landwirtschaft. Dem Tourismus und der Erholung dienen bereits wiedervernässte, geschützte Moor-Landschaften. Entwässerte Moore sind Hotspots von Treibhausgasemissionen. Wiedervernässte Moore werden wieder Refugien für seltene Tier- und Pflanzenarten. Ein Umdenken in der Landnutzung von Mooren ist dringend notwendig, um CO2-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig eine Wertschöpfung auf der Fläche zu erhalten. Etwa indem statt Mais und Grünland dann Rohrkolben und Schilf angebaut und verwertet werden. Moorlandwirt*innen müssen zu Moor-Klimawirt*innen werden. Um ein Umdenken von Landwirt*innen, Anwohnenden und politischen Entscheidungstragenden zu ermöglichen, braucht es Einblicke in eine Zukunft der Nutzung intakter (wiedervernässter) Moore. Sie können einen kulturellen Wandel in der Bewirtschaftung und Nutzung von Mooren hervorrufen und beschleunigen.

Daher greifen folgende Schritte im Projekt ineinander:

1. Aufzeigen von alternativen Möglichkeiten der Bewirtschaftung und der Verwertung der Rohrkolben. Hierbei sind in erster Linie Landnutzende adressiert. Die Machbarkeit dieser Wertschöpfungskette (Produktion nachwachsender Rohstoffe auf vernässten Mooren) wird sichtbar durch das exemplarische Mähen eines wildwachsenden Rohrkolben-Bestands auf einer ehemals entwässerten Moorfläche (März 2019), Lufttrocknung und Verarbeitung der Biomasse in einer bestehenden Kleinserien-Produktionsstätte (Dämmplatten, im Juni 2019).

2. Fachlich angeleitete Erarbeitung eines regionaltypischen Kleinods – eines Fertigteilhauses bzw. Modells, welches die regionalen Handwerkstraditionen aufnimmt und dem Trend zum sanften Ökotourismus Rechnung trägt. Diese Phase ist an Einheimische und andere Interessierte gerichtet, die ihre Heimat und Umwelt auf andere Weise schätzen (lernen) (März –August 2019).

3. Die gesamte Wertschöpfungskette des Kleinods soll hinsichtlich ihres (Global Warming Potentials) betrachtet und sichtbar gemacht werden, um das Emissions-Einsparpotenzial hervorzuheben. Mit diesen Informationen werden neben der Gesellschaft auch regionale Entscheidungsträger*innen, Klimaschutz-bewusste Besucher*innen und Verbraucher*innen angesprochen – es gilt bei allen Zielgruppen ein Bewusstsein für nachhaltiges Handeln zu fördern und in die Alltagskultur zu integrieren (April – Juli 2019).

4. Herstellung des Kleinods mit dem produzierten Baumaterial und regional öffentlichkeitswirksamer Errichtung in Kamp/Vorpommern (Gemeinde Bugewitz, am Peenestrom). Adressiert sind lokale Handwerker*innen und Anwohnende (September – Oktober 2019).

5. Eine begleitende Öffentlichkeitsarbeit, u.a. Tage der offenen Tür, geführte Besichtigungen, Einbindungen des Kleinods in touristische Naturführungen und Infotafeln verbreiten die Idee und das Ziel des Projektes – der Verbindung von lokaler Wertschöpfung durch nachhaltige Landnutzung, Tourismus und das Aufzeigen von unkonventionellen Ideen für einen kulturellen Wandel hin zu nachhaltigen Lebens- und Arbeitsweisen (September – November 2019).

6. Die Nutzung des Kleinods erfolgt als Ferienhaus, Büro auf Zeit und für künstlerische Kontemplation. Dafür werden 2 „Stipendien“ für Künstler*innen oder Kulturschaffende bereitgestellt (November 2019 – März 2020), die sich für begrenzte Zeit darin in die Einöde vorpommerscher Moore zurückziehen und Landschaft, Natur, ländliche Leere und praktischen Klimaschutz erleben sowie künstlerisch verarbeiten. Ihre Kunst trägt zum Bewusstseinswandel in der Gesellschaft bei.
Was sind unsere Ziele?
• Bekanntmachen des Konzeptes der nachhaltigen Bewirtschaftung wiedervernässter Moore und des damit verbundenen Klimaschutzpotentials. Indikator: (Vorbereitung der) Änderung der Bewirtschaftungskultur von Moorböden

• Reduzierung des Raumwiderstands gegen Wiedervernässung, da Anhebung des Wasserstands in Mooren gesellschaftlich notwendig ist, um Klimaschutzziele zu erreichen. Dafür muss der Mehrwert für unterschiedliche Zielgruppen dargestellt und von den Zielgruppen anerkannt werden, u.a. indem diese beteiligt werden. Indikator: Anzahl der Teilnehmenden an der Kleinod-Entwicklung

• Beispiel aufzeigen für Wertschöpfung durch wiedervernässte Moore in der vorpommerschen Einöde durch stoffliche Biomasseverwertung (die perspektivisch regional verarbeitet werden soll). Aufzeigen von spritzigen Ideen für Einkommensmöglichkeiten mittels Naherholung/Tourismus durch Naturerlebnis dieser Landschaft. Letztendlich gilt es, den Begriff „nachhaltige Kulturlandschaft“ neu zu definieren

• Die Idee soll Kulturgut werden, um eine Übertragbarkeit herzustellen. Indikator: Zertifikat für nachhaltiges Bauen wird angestrebt.
Wer ist unsere Zielgruppe?
Erwachsene 19 – 69 Jahre,
regionale Akteure
Wie ist das Projekt lokal und regional verankert?
Allein in Mecklenburg-Vorpommern sind 13% der Landfläche von Mooren bedeckt, das sind etwa 270.000 Hektar. Davon sind 85.000 Hektar prinzipiell für den Anbau von Rohrkolben geeignet. Die Produktivität von Rohrkolben kann von 20 bis zu 40t Trockenmasse pro Hektar und Jahr betragen. Eine Rohrkolben-Fläche von rund 30 Hektar wäre kurz- bis mittelfristig ausreichend, um genügend Rohstoff für die kontinuierliche Produktion eines Herstellers von Bau- und Dämmplatten zu liefern. In Greifswald gibt es mit dem Greifswald Moor Centrum (GMC) ein deutschland- und weltweit tätigen Wissensträger zum Thema Moor. Die Stiftung wetland products engagiert sich im ländlichen Raum Vorpommerns für die Etablierung, Ernte und Verarbeitung von Rohrkolben und Schilf und ist gut vernetzt. Das GMC und die Stiftung sind Partner im vorliegenden Projekt. Kontakte bestehen zu verarbeitenden Unternehmen, etwa der Firma Typhatechnik Naturbaustoffe.

Die Wiedervernässung von entwässerten Moorstandorten trifft bislang in der Bevölkerung oft auf Ablehnung, da der (Werte-)Verlust von Flächen und negative Auswirkungen auf die Anwohnenden befürchtet werden. Mit dem Aufzeigen von neuen Ansätzen der Flächennutzung, der Rohstoff-Verwertung und den Bau eines exemplarischen Ferienhäuschens bzw. Kleinods und damit dem Erhalt der Wertschöpfung im ländlichen Raum kann eine stärkere Verankerung bei der Bevölkerung erreicht werden. Durch die Bereitstellung des Häuschens für Künstler*innen und Kulturschaffende sowie Erholungssuchende soll das Erleben von Moor- und damit Klimaschutz (künstlerisch) aufgenommen, verarbeitet und auch andernorts kommuniziert werden. Der Blick auf und die Einstellung gegenüber Moor- = Klimaschutzmaßnahmen werden neben der sachlichen „Brille“ auch durch eine emotional-ästhetische „Brille“ das Bewusstsein ansprechen, um Verhaltensänderungen hin zu nachhaltigeren Lebensweisen zu induzieren. Dies ist notwendig, denn um die nationalen und globalen Klimaschutzziele zu erreichen, ist die Vernässung von Moorflächen unumgänglich.
Worin liegt die Innovation unseres Projektes?
Der Ausdruck „small is beautiful“ ist ein geeigneter Vorsatz für nachhaltiges Bauen – es reduziert den Ressourcenverbrauch, minimiert Baukosten und eignet sich als Motto für weitere Lebens- und Verhaltensweisen. Er findet sich auch in oben skizziertem Kleinod für den ländlichen Raum (der oft verbunden ist mit einem niedrigen Einkommensniveau) wieder. Es gibt mittlerweile verschiedene Ansätze der „Tiny Houses“. Sie sind auf vielfache Art nutzbar, können kombiniert (= vergrößert) werden und sind leicht transportierbar. In urbaner Umgebung können sie Baulücken füllen und auf dem Land zum niedrigpreisigen Wohnen beitragen. Sie können an vorhandene Energienetze angeschlossen oder energetisch selbstversorgend genutzt werden. Viele Tiny-House-Konzepte arbeiten mit Holzbauverbundwerkstoffen wie OSB, die oft nicht nachhaltige Klebstoffe enthalten und z.T. bei der Verarbeitung stark gesundheitsgefährdende Dämpfe freisetzen. Bei dem Bau- und Dämmstoff „Typhaboard“ aus Rohrkolben wird ein umwelt- und gesundheitsschonender mineralischer Kleber verwendet, der aufgrund der physikalischen Eigenschaften des Rohrkolbens nur in geringen Mengen eingesetzt werden muss. Durch das spezifische Verhalten des Rohrkolbens bei der Verarbeitung kann zudem der Energieverbrauch und damit CO2-Emissionen im Vergleich zur Herstellung ähnlicher Bau- und Dämmmaterialien gesenkt werden.

Neben den Klimaschutzaspekten setzt das Projekt an weiteren aktuellen Themen an: Die Baustoffe aus nachwachsenden Rohstoffen aus wiedervernässten Mooren tragen zur Umstellung auf eine visionäre biobasierte Ökonomie bei. Durch deren Verwendung und mineralischen Klebeanteilen entsprechen die Baustoffe dem Cradle-to-Cradle-Prinzip, bei dem kein Müll (und v.a. kein Sondermüll) entsteht.

Entwässerte Moore emittieren bis zu 40 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr (!). Zudem werden sie aufgrund von Bodenverlust durch Oxidation langfristig nicht mehr nutzbar sein, bereits jetzt beträgt die Sackung oft über einen Meter. Viele betroffene Moorgebiete sind küstennah und durch den erwarteten Meeresspiegelanstieg zusätzlich gefährdet. Landwirte sind daher auf der Suche nach Alternativen zur Flächenaufgabe. Der Anbau von Rohrkolben ist eine mögliche Alternative.
Wer sind wir?
Der Verein zur Förderung solidarischer Lebensgestaltung e.V. führt u.a. Lehrbaustellen und Workshops durch, um Wissen zu vermitteln und Selbstbefähigung in handwerklichen Bereichen zu stärken. Er ist vernetzt mit anderen solidarisch wirtschaftenden oder fördernden Vereinen, Unternehmen und Initiativen. Die Kooperation mit dem ökologischen Betrieb Hof Schwarze Schafe im Lassaner Winkel (Vorpommern) fokussiert auf das Lernen und Lehren traditionellen Handwerks in der Landwirtschaft und Lebensmittelherstellung. Dafür wurde das Dachgeschoss eines alten Bauernhauses ausgebaut, um eine Unterbringungs-Infrastruktur für Seminarteilnehmende u.a. auf dem Hof zu schaffen.

Im Verein werden Entscheidungen gemeinsam durch die Mitglieder getroffen und getragen. Neben dem zweiköpfigen Vorstand gibt es inhaltlich Verantwortliche in verschiedenen Themenbereichen. Eine Person ist in Teilzeit für allgemeine Vereinstätigkeiten sowie der Entwicklung und Organisation einzelner Vorhaben angestellt.
Laufzeit der Förderung
12 Monate
Höhe der Förderung
49 725,00 EUR

Nachhaltigkeitsziele

  • SDG 12: Nachhaltige Konsum- und Produktions­muster sicherstellen
  • SDG 13: Beschreibung EN